„Silent Night“ ist ein solch ikonisches Weihnachtslied, dass man sich kaum vorstellen kann, dass es sich nicht um ein uraltes Volkslied handelt, das in einer Winternacht aus dem Nebel geweht ist. Das Lied entsprang jedoch keiner von Stechpalmen und Efeus gesäumten Lichtung, sondern der Ursprung des friedlichen Liedes lag vor 200 Jahren in einer turbulenten Zeit in Europa.
Der Kontinent schwankte nach den Napoleonischen Kriegen. Finanzielle Knappheit und Unsicherheit waren im Überfluss vorhanden, was durch Brände, Überschwemmungen und Hungersnöte noch verstärkt wurde. Aber der Konflikt war endlich vorbei. 1816 schrieb Josef Mohr, ein katholischer Pfarrer aus Oberndorf bei Salzburg, der gerade unter österreichische Herrschaft geraten war, ein Gedicht mit dem Titel „Stille Nacht“, um an das Kommen des Friedens zu erinnern. Dann legte er das Gedicht zwei Jahre lang beiseite.
Laut John Malathronas von CNN kehrte er im Winter 1818 zum Gedicht zurück, als der Fluss Salzbach in die Mohrsche Pfarrkirche des Heiligen Nikolaus mündete. Damit die Gemeinde an Heiligabend Musik machen konnte, bat Mohr den Schullehrer und Kirchenorganisten Franz Xaver Gruber aus dem Nachbardorf, sein Gedicht mit zwei Stimmen und einer Gitarre zu vertonen. Gruber schrieb das Arrangement an einem Nachmittag.
Da Gitarre kein von der Kirche anerkanntes Instrument war, wartete das Duo bis zum Abschluss der Heiligabendmesse, bevor es das Lied debütierte. Mohr sang Tenor und spielte Gitarre, während Gruber Bass sang. Die Gemeinde trat im Chor auf.
Das Lied mag ein One-Night-Wonder geblieben sein, aber als der Orgelbauer Karl Mauracher ankam, hörte er das Lied und nahm die Noten mit nach Tirol, ein Gebiet, das für seine Chöre bekannt ist. Die Chöre begannen, die Melodie zu singen, und schließlich wurde sie übersetzt und in ganz Europa verbreitet. 1839 kam es in die USA, als die Rainer Family Singers - denken Sie an The Sound of Music, aber Dickensianer - durch die Neue Welt tourten.
Laut Edward W. Schmidt von der Zeitschrift America war das Weihnachtslied in den 1850er Jahren so beliebt und wichtig, dass die königliche Hofkapelle in Berlin ihre Herkunft nachzeichnen wollte. Die Theorie war, dass es von Johann Haydn, dem Bruder des bekannten Komponisten Joseph Haydn komponiert worden sein könnte. Schließlich kam die Anfrage zu Gruber zurück, der eine kurze Geschichte der Melodie mit dem Titel "Authentic Origination of the Composition of the Christmas Carol 'Stille Nacht'" schrieb.
Die Geschichte endet nicht dort. 1912 wollte der Bildhauer Joseph Mühlbacher nach Angaben des Österreichischen Tourismusamtes ein Denkmal für die Urheber des Liedes schaffen. Obwohl Gruber zu Lebzeiten gemalt wurde, weigerte sich Mohr immer, sich ein Bild machen zu lassen. Also machte sich Mühlbacher daran, Mohrs Grab - ja, sein Grab - in Wagrain zu lokalisieren, wo er zuletzt als Priester tätig war. Er grub Mohrs Schädel aus und benutzte seine sterblichen Überreste, um seine Skulptur über die beiden Männer zu informieren. Der Schädel lagerte mehrere Jahre. Als in den 1920er Jahren an der Stelle der Nikolaikirche eine nach dem Lied benannte Kapelle errichtet wurde, war Mohrs Schädel in die Mauer eingebettet, in der er bis heute erhalten ist. Mühlbachers Skulptur der beiden Männer steht unterdessen vor der Stille-Nacht-Kapelle.
Anlässlich des zweihundertjährigen Bestehens des Songs präsentiert das Salzburger Museum derzeit eine Ausstellung zu seinem 200-jährigen Erbe, die auch an 13 Stille-Nacht-Orten in Salzburg, Oberösterreich und Tirol offiziell ausgezeichnet wird.