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Jüdisches Museum Berlin

Wie soll eine Stadt an ein Volk erinnern, das sie einst vernichten wollte? Welche Form sollte es seiner Trauer geben, ohne sich von früheren Sünden zu befreien, geschweige denn eine sogenannte Kranzabwurfstelle zu schaffen - eine " Kranzabwurfzone "? Berlin hat sich mit diesen heiklen Fragen auf vielfältige Weise auseinandergesetzt, unter anderem mit dem kahlen Granitwald von Peter Eisenmans kürzlich eingeweihter Holocaust-Gedenkstätte. Die kühnste Antwort der Stadt ist das Jüdische Museum Berlin. Der Zinkblitz eines Gebäudes des Architekten Daniel Libeskind ist eines der revolutionärsten Bauwerke seit dem Krieg in Deutschland oder anderswo. Über 200.000 Besucher kamen in den ersten acht Wochen nach der Eröffnung am 9. September 2001, weitere drei Millionen folgten.

Das erste Museum für jüdische Kunst und Kultur der Stadt wurde im Januar 1933 gegründet, eine Woche bevor Adolf Hitler Kanzler wurde, und verkündete mutig die Tatsachen, die die Nazis bestritten: den anhaltenden Einfluss der jüdischen Kultur auf Berlin und Deutschland. Nachdem die Sammlung während des Kristallnacht-Pogroms vom 9. November 1938 entkernt worden war, dauerte es ein weiteres halbes Jahrhundert qualvoller Debatten, bis Berlin bereit war, erneut eine unabhängige jüdische Sammlung aufzubauen. Bei der Ausschreibung des internationalen Wettbewerbs für das Museumsdesign stellten Stadtplaner das Paradox fest: Das neue Museum musste wie sein Vorgänger von 1933 die Symbiose von jüdischer und deutscher Kultur im Laufe der Jahrhunderte veranschaulichen und gleichzeitig die Abwesenheit von Juden unterstreichen in deutschland heute.

Die Antwort von Libeskind auf dieses Rätsel war ein Entwurf, der sich von den anderen 164 Einsendungen durch Komplexität, künstlerische Schönheit und geradezu Kühnheit auszeichnete. Es ist eine gigantische Skulptur wie ein Gebäude, deren Zinkfassade in Dutzende scheinbar zufälliger Linien und geometrischer Formen geschnitten ist. Libeskinds Erklärungen dieser Formen - er hat die Konfiguration mit einem explodierten Davidstern verglichen - tragen zur fast kabbalistischen Aura des Geheimnisses und der Symbolik bei, die das gesamte Gebäude durchzieht.

Nachdem man das Äußere bewundert hat, steht man vor der ersten von vielen Fragen, die die Struktur aufwirft: Wie kommt man hinein? Es gibt keine Türen; man betritt ein benachbartes Gebäude und steigt eine lange Treppe hinunter. Hier, 30 Fuß unter der Erde, führt eine Kreuzung von drei abweichenden Alleen zu verschiedenen Teilen des Museums. Der Garten des Exils ist ein Grundstück mit 49 gleichmäßig verteilten Betonsäulen, die etwa 20 Fuß hoch und mit Weideneichen gekrönt sind und über ihnen ein Blätterdach bilden. Der Boden ist in ungeraden Winkeln geneigt, wodurch ein Gefühl der Orientierungslosigkeit entsteht.

Die zweite Straße endet im Holocaust-Turm, einem leeren Silo aus rohem Beton, der von einem einzigen Schlitzfenster beleuchtet wird. Eine schwere Tür schlägt beim Betreten zu, wie in einem Gefängnis. Der raue Betonboden neigt sich und neigt sich und Geräusche hallten seltsam von den nackten Wänden wider und trugen zur unheimlichen Atmosphäre bei. Trotzdem sind das Spiel von Licht und Schatten an den Wänden und die atemberaubend scharfen Linien des Ortes unglaublich schön.

Die dritte unterirdische Allee steigt die Treppe der Kontinuität in das eigentliche Museum. Die ständige Sammlung "Zwei Jahrtausende deutsch-jüdischer Geschichte" dokumentiert das Auf und Ab des jüdischen Status in der deutschen Gesellschaft: Wie Reichtum und Einfluss im Mittelalter mit Pogromen wechselten, wie ausgesprochener jüdischer Patriotismus während des Ersten Weltkriegs durch den Völkermord zurückgezahlt wurde Zweiter Weltkrieg. Die Ausstellung betont die herausragende Rolle der Juden in Berlins Musik, Handel, Theater und Philosophie und endet mit dem Wiederaufleben der jüdischen Kultur im vereinten Deutschland in einer hoffnungsvollen Note.

Das Jüdische Museum hat seine Kritiker, von denen einige beanstanden, dass die Sammlung durch das Gebäude selbst überfordert ist. Andere lehnen Libeskinds schriftlichen Kommentar in bestimmten Teilen des Museums ab, der gegen die wortlose Kraft des Ortes wirkt. Alles in allem ist Libeskinds Jüdisches Museum ein Triumph. Berlin selbst sieht anders aus: Durch die schrägen Bänder, Dreiecke und Trapezoide der Fenster ist das Stadtbild verzerrt und leicht surreal, und seine Stimmungen ändern sich schnell mit einer vorbeiziehenden Wolke auf eine Weise, die noch lange in Erinnerung bleibt.

Tom Mueller lebt in Vezzi San Filippo, Italien.

Jüdisches Museum Berlin